Unter einer Kreuzbandverletzung versteht man den teilweisen oder vollständigen Riss von dem vorderen und/oder hinteren Kreuzband. Diese Bänder sind im Kniegelenk lokalisiert und verbinden den Oberschenkelknochen mit dem Schienbein. Typischerweise entsteht die Verletzung durch Verdrehen des Kniegelenks bei feststehendem Unterschenkel. Häufig treten sie in Kombination mit Seitenbandrissen, Meniskusverletzungen und / oder Verletzungen der Kniegelenkskapsel auf. Unbehandelt führen Kreuzbandverletzungen zur Instabilität des Knies, langfristig unter Umständen zu Meniskusschäden oder Arthrose. Deshalb wird ein gerissenes Kreuzband bei jüngeren und sportlich aktiven Menschen meist ersetzt.
Wie bereits erwähnt unterscheidet man zwischen dem vorderen und hinteren Kreuzbandriss.
Generell unterscheidet man zwischen einer frischen und einer alten Kreuzbandruptur. Bei einem frischen vorderen Kreuzbandriss handelt es sich um die vollständige oder teilweise Kontinuitätsunterbrechung (Riss) des vorderen Bandes nach Überschreiten der Überdehnungsreserve durch äußere Gewalteinwirkung. Dagegen ist eine alte vordere Kreuzbandruptur ein dauerhaft bleibender, meist unfallbedingter Bandschaden.
Ein hinterer Kreuzbandriss wird durch das Überschreiten der maximalen Dehnungsmöglichkeit des hinteren Bandes hervorgerufen. In der Regel erfolgt dies auch durch äußere Gewalteinwirkung. Es handelt sich hierbei um eine vollständige Ruptur (Kontinuitätsunterbrechung) des hinteren Kreuzbandes. Dadurch macht sich eine sagittale (parallel zur Mittelachse auftretende) Instabilität und das Schubladenphänomen (Verschiebbarkeit des Unterschenkels gegen den Oberschenkel) bemerkbar.
Das Kniegelenk ist das größte Gelenk des menschlichen Körpers. Zum Kniegelenk gehören folgende Strukturen:
Wird das Bandapparat des Kniegelenks nun genauer betrachtet, so muss man zwischen den Seitenbändern, den Binnenbändern und den Kreuzbändern unterscheiden. Die Kreuzbänder verlaufen vom Oberschenkelknochen zur Kopfmitte des Schienbeins. Die Kreuzbänder haben die Aufgabe, das Knie zu stabilisieren. Dadurch wird vor allem verhindert, dass sich der Unter- über den Oberschenkel oder der Ober- über den Unterschenkel nach vorne hinweg schieben, je nachdem um welches Kreuzband (vorderes oder hinteres) es sich handelt. Das vordere Kreuzband verhindert das Ausweichen des Oberschenkels nach hinten bzw. das Abgleiten des Schienbeinkopfs nach vorne, während das hintere Kreuzband genau umgekehrt agiert, also ein Abgleiten des Schienbeinkopfs nach hinten verhindert.
Die Kreuzbänder verlaufen zwischen den Gelenkrollen des Oberschenkelknochens zur Kopfmitte des Schienbeins. Das vordere Kreuzband hat, von oben nach unten betrachtet, die Richtung von außen-hinten nach innen-vorne. Das hintere Kreuzband hingegen verläuft von innen-vorne nach außen-hinten. Die Bänder geraten vor allem bei Drehbewegungen mit gebeugtem Knie unter Zug; eine mögliche Kippbewegung führt dann möglicherweise zum Riss.
Kreuzbandrisse werden häufig durch so genannte „Flexions-Valgus-Außenrotations-Verletzungen" hervorgerufen. Das bedeutet, dass das Knie unfreiwillig gebeugt, in die X-Bein-Stellung und nach außen gedreht wird. Ein klassisches Verletzungsmuster ist das „Einfädeln" einer Slalomstange beim Skirennlauf oder der Sturz eines Fußballers über das „stehen gebliebene" Bein des Gegenspielers.
Durch die Auslockerung des Kapselbandapparates kann sich eine Instabilität des Kniegelenks einstellen. In der Folge kommt es zu einer Entgleisung des Roll-Gleitmechanismus und einer zunehmenden degenerativen (verschleißbedingten) Knorpelschaden und Meniskus.
Der hintere Kreuzbandriss betrifft in den meisten Fällen nicht nur das hintere Kreuzband. Es handelt sich hierbei um weitaus komplexere Verletzungen, die in der Regel das gesamte Kniegelenk, in teilweise enorm beeinträchtigender Weise, betreffen. Für hintere Kreuzbandrisse sind häufig Unfälle, nicht selten auch Autounfälle verantwortlich. Der Grund dafür ist, dass durch das Sitzen im Auto der Unterschenkel gebeugt ist. Durch ein gewaltsames entgegendrücken reißt in diesem Fall das hintere Kreuzband.
Kreuzbandverletzungen kommen meist in Kombination mit anderen Verletzungen vor. Nicht selten ist eines der Seitenbänder, oft auch ein Meniskus und die Gelenkkapsel betroffen. Besonders häufig ist die so genannte Unhappy Triad: Hier besteht ein Riss des vorderen Kreuzbandes und des Innenbands, welches mit einer Innenmeniskusverletzung kombiniert ist. In seltenen Fällen kommt es zu einem isolierten Seitenbandriss.
Kreuzbandverletzungen machen sich durch folgende Beschwerden bemerkbar:
Unter Umständen können die Beschwerden so geringfügig sein, so dass eine Kreuzbandverletzung über viele Jahre nicht erkannt wird. Durch die ungleichmäßige Belastung der Gelenkflächen kommt es langfristig jedoch oft zu einer frühzeitigen Kniegelenksarthrose oder verschleißbedingten Meniskusverletzung (vor allem bei sportlich aktiven Menschen).
Die Diagnose einer Kreuzbandverletzung kann weder durch die Unfallsituation noch die akuten Symptome gestellt werden, da unter gleichen Bedingungen auch andere Knieverletzungen wie eine Verstauchung oder Meniskusverletzung auftreten können.
Zunächst erfolgt eine körperliche Untersuchung des Patienten, bei der der Grad der möglichen Beweglichkeit und die Meniskuszeichen abgeklärt werden müssen. Dies erfolgt in der Regel mit den so genannten Stabilitätstests.
Mit dem so genannten Lachmann Test kann die mediale und laterale Bandstabilität überprüft werden. Zudem gibt es noch den Schubladentest. Dieser kann jedoch bei einer akuten Verletzung aufgrund der muskulären Gegenspannung im Akutfall nicht ausgelöst werden. Kreuzbandverletzungen treten oft in Verbindung mit Meniskusverletzungen auf, so dass im Anschluss die Suche nach Meniskuszeichen erfolgen sollte.
Um das Ausmaß einer vorderen Kreuzbandverletzung zu dokumentieren wird häufig der vordere Schubladentest durchgeführt. Bei der Untersuchung wird das Kniegelenk 90° gewinkelt und der Fuß auf der Grundlage fixiert. Der Untersucher zieht nun kniegelenksnah am Unterschenkel und guckt, ob sich der Unterschenkel gegenüber dem Oberschenkel hervorziehen lässt. Bei einem vollständigen Riss des Vorderbands lässt sich der gebeugte Unterschenkel wie eine Schublade gegenüber dem Oberschenkel von hinten nach vorne verschieben.
Das hintere Kreuzband verhindert normalerweise die so genannte hintere Schublade. Besteht jedoch ein Riss des Hinterbands, so lässt sich der gebeugte Unterschenkel von vorne nach hinten verschieben.
Klassifikation des vorderen bzw. hinteren Schubladenzeichens (nach Debrum):
Im Folgenden werden die wichtigsten und gängigsten Verfahren noch einmal kurz erläutert:
Auf dem Röntgenbild kann man eventuell gleichzeitig vorliegende knöcherne Verletzungen erkennen. Beim isolierten Kreuzbandriss ist das Röntgenbild normalerweise unauffällig. Daher ist die Diagnosestellung für den Laien hier besonders schwierig.
Die Kreuzbandverletzung selbst ist am besten im Kernspin nachweisbar.
Besteht ein größerer Gelenkerguss, so sollte dieser unbedingt punktiert werden, um den Knorpel und die restlichen Weichteile zu entlasten. Ist der Erguss blutig, so liegt der Verdacht auf eine Kreuzbandverletzung nahe, beweist ihn aber nicht.
Mit der Kernspintomographie lässt sich die Diagnose relativ sicher stellen. Durch die Schichtaufnahmen wird der Verlauf der Kreuzbänder und deren Ansätze am Ober- und Unterschenkelknochen sichtbar. Besteht eine Ruptur, so sind die Faserverläufe nicht durchgängig. Das verletzte Bandgewebe zeigt sich als inhomogene, aufgefaserte Struktur. Zudem ist auch die Lokalisation des Ausrisses möglich. Mithilfe der Kernspintomographie lässt sich der eingetretene Schaden sehr genau abschätzen. Dadurch können vor allem unnötige Operationen vermieden werden.
Da Kreuzbandverletzungen oft in Verbindung mit anderen Verletzungen auftreten, sollte man diese bedenken und ggf. ausschließen. Dabei handelt es sich meistens um Meniskusverletzungen und Bänderrisse.
Wie fast immer gibt es auch hier zwei Therapiemöglichkeiten: die konservative oder operative Therapie. Die Behandlung richtet sich in der Regel nach den individuellen Gegebenheiten und Ansprüchen des Patienten. Einige Mediziner sind der Meinung, dass nach einer Kreuzbandverletzung ohne Operation immer eine Arthrose eintritt, dies ist nur eine Frage der Zeit.
Wichtige Indikationen zur Entscheidung für die konservative Therapieform stellen Dehnungen und Teilrisse der Kreuzbänder dar. Ist ein Patient auch bei einem totalen Kreuzbandriss in der Lage seine Instabilität mittels seiner Muskulatur zu kompensieren, so sollte man auch hier eher auf die konservative Therapieform greifen. In der Regel bevorzugt man auch eine konservative Therapie bei Patienten, die nicht leistungssportlich aktiv sind und älter als 50 Jahre sind. Dabei ist es völlig egal, ob die Bandverletzungen schon älter als 14 Tage sind oder nicht.
Nach Abklingen der akuten Beschwerden erhalten die Patienten meist eine Kunststoffschiene und eine regelmäßige Krankengymnastik verordnet. Durch Muskelkräftigung und Koordinationsübungen wird die Stabilität des betroffenen Kniegelenks verbessert. Wichtig ist hierbei, dass der Patient das notwendige Training selbstständig täglich durchführt.
Zusätzlich kann die Therapie noch mit physikalischen Maßnahmen wie:
unterstützt werden. Diese können einzeln oder in Kombination angewandt werden. Sie zielen darauf ab, die Durchblutung zu verbessern und letztendlich auch die Schmerzen zu lindern.
Wichtig ist vor allem ein lebenslanges, konsequentes, selbständig durchgeführtes Muskeltraining, damit die Muskeln die Aufgabe des gerissenen Kreuzbandes übernehmen können.
Eine OP-Indikation hängt von vielen Faktoren ab:
Der optimale Zeitpunkt für einen operativen Eingriff liegt sechs bis zwölf Wochen nach der Verletzung, nachdem die akuten Symptome abgeklungen sind. Bei Jugendlichen sollte man erst abwarten, bis das Wachstum abgeschlossen ist.
Die am häufigsten durchgeführte Operationsmethode ist die so genannte Kreuzbandplastik. Bei dem Eingriff wird ein Stück körpereigene Sehne als Ersatz in das Knie eingepflanzt. Ein solcher Eingriff sollte jedoch nicht sofort durchgeführt werden, da das Risiko einer Gelenkvernarbung mit Bewegungseinschränkung in den ersten Tagen nach dem Unfall am größten ist. Vorteil dieser Methode ist, dass durch die körpereigene Sehne, der verloren gegangene Halt des Gelenkes nahezu wieder hergestellt werden kann.
Nicht jede körpereigene Sehne kann den verlorengegangenen inneren Halt des Gelenkes wieder herstellen. Wichtig ist, dass das neue Kreuzband die Eigenschaften und die Funktion des natürlichen Kreuzbandes so weit wie möglich nachahmen sollte. Daher haben sich im Rahmen der Kreuzbandplastiken die Patellarsehne (Kniescheibensehne), sowie die Sehnen des Musculus semitendinosus und Musculus gracilis (Hamstring) bewährt.
Im folgenden sollten die verschiedenen Verfahren näher erläutert werden:
Bei dem Eingriff wird zunächst aus dem mittleren Drittel der Kniescheibensehne ein etwa ein cm breites Stück Sehne entnommen. Dabei sollte an beiden Enden ein 2 x 1 cm breiter Knochenblock anheften. Die anhängenden Knochenblöcke werden mittels so genannter Interferenzschrauben, die entweder aus Titan oder Zucker (Kohlenstoffverbindungen) bestehen, in den Bohrkanälen fixiert. In der Regel wachsen die Knochenblöcke der Patellarsehne innerhalb von vier bis sechs Wochen.
Heute erfolgt der Einbau und die Fixation des Transplantates rein arthroskopisch, also durch eine Kniegelenksspiegelung.
Hierbei handelt es sich um eine Sehne des Oberschenkels. Über einen kleinen Hautschnitt werden die Sehnen (entweder Semitendinosus-Sehne, Gracilis-Sehne oder eine Kombination aus beiden) am innenseitigen Schienbeinkopf entnommen und jeweils gedoppelt. Die Sehne wird vom Knochen abgetrennt und dann mit dem Stripper von seinem Muskelbauch abgelöst. In der Regel vernarbt die Restsehne ohne wesentlichen nachweisbaren Funktionsverlust mit der Umgebung.
Durch die Doppeltlegung der Sehne wird ein Vierfach-Transplantat hergestellt, auch Quadruple-Hamstring-Transplantat genannt. Durch die Dopplung wird eine entsprechende Reißfestigkeit hergestellt, dadurch ist die Reißkraft doppelt so hoch wie die des normalen Kreuzbandes. Wesentliche Vorteile der Semitendinosus- und Gracilis-Transplatate sind die geringe Komplikationsrate, die geringeren Schmerzen nach der Entnahme der Sehnen und eine kleine, kosmetisch günstige Hautnarbe. Jedoch weisen sie im Gegensatz zur Patellarsehne, ein eher langsameres Einheilverhalten in die Knochenkanäle. Sie wachsen erst nach zehn bis zwölf Wochen ein.
Die Auswahl der zur Verfügung stehenden Techniken hängt von vielen Faktoren ab. Hierzu gehören beispielsweise Alter, Geschlecht, Größe, Gewicht, Sporttätigkeit und Gewebestruktur. In der Regel sind die Erfolgsquoten nach derartigen Eingriffen relativ gut, vor allem dann, wenn keine wesentlichen Zusatzverletzungen vorliegen.
Eine weitere Möglichkeit ist die so genannte innere Verstärkungsoperation. Liegt der Unfall noch nicht allzu lange zurück (also in akuten und subakuten Fällen), so kann das „alte" Kreuzband innerlich mit einer neuen Struktur verstärkt werden. Dadurch werden Verhältnisse hergestellt, die den Originalverhältnissen äußerst nahe kommen. Leider wird diese Technik kaum angeboten, bietet aber viele Vorteile. Ein wichtiger Vorteil ist, dass das eigene Kreuzband mit seinen so genannten Propriozeptoren (Nerbenrezeptoren), die für die Feinabstimmung der Bewegung und des Muskeleinsatzes erforderlich sind, weitgehend erhalten werden können. Dies ist natürlich bei einer Kreuzbanoperation mit der so genannten Patellarsehne nicht möglich. Diese spezielle Technik ist leider für chronische Instabilitäten nicht geeignet, da in diesen Fällen meist das alte Kreuzband nicht mehr vorhanden ist. Leider liegen hier keine Langzeitergebnisse vor, so dass man zu diesem Zeitpunkt nicht vorbehaltlos zu dieser OP-Technik raten kann.
Kreuzbandverletzungen können zu irreperablen Schäden am Kniegelenk führen. Man kann heute mit einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit sagen, dass ein Kniegelenk nach erlittenem Kreuzbandschaden, einen verfrühten Verschleiß des Kniegelenks (Arthrose) nach sich ziehen wird. Dieser Verschleiß kann jedoch durch Implantation einer Kreuzbandplastik günstig beeinflusst, aber nicht vollständig gestoppt werden.
Im Gegensatz zur vorderen Kreuzbandverletzung, stellt die hintere Kreuzbandverletzung meist eine schwere Verletzung dar. Hier sind die Prognosen für das Wiedererreichen einer vollständigen Belastbarkeit, sowohl unter der konservativen als auch der operativen Therapie, als eher ungünstig einzuschätzen. Trotz der Operation kommt es langfristig bei 35 Prozent der Patienten zu Meniskusschäden und einer späteren Kniegelenksarthrose. Allerdings liegt der Anteil ohne Operation bei etwa 65 Prozent, so dass sich in jedem Fall eine Operation als sinnvoll erweist.
In der Regel folgt einer operativen Therapie eine konsequente Nachbehandlung (Reha) von mindestens drei Monaten. Eine Vollbelastung ist meistens erst nach sechs Monaten wieder möglich. Ziel der Physiotherapie bzw. der Krankengymnastik ist, das Erreichen einer Kniegelenksbeugung von 90°, einer Streckung von 10° und nach sechs Wochen von 0°. Zudem erfolgt eine Kräftigung der kniegelenksstabilisierenden Muskulatur.
Der Patient erhält während der Nachbehandlungsphase Gehstützen und spezielle Schienen, die den Bewegungsumfang des Kniegelenks stufenweise freigeben. Sobald der Patient eine aktive Beugung von 90° erreicht, kann mit einem Bewegungstraining auf einem Heimfahrrad begonnen werden. Die Patienten dürfen frühestens zwölf Wochen nach Operation mit dem Joggen auf ebener Strecke (mit angelegter Kniegelenksorthese) beginnen. Sportarten wie Basketball oder Fußball dürfen erst nach Ablauf eines Jahres wieder begonnen werden. In jedem Fall Bedarf es einer Mithilfe des Patienten und vor allen Dingen seiner Geduld.
Erste Hilfe bei einer Kreuzbandverletzung: Wenden Sie als Erste Hilfe die Schritte des P.E.C.H.-Schemas an. Diese sind:
Letzte Aktualisierung am 12.05.2021.