Bei einer Schultergelenkssprengung besteht eine Verrenkung des seitlichen Endes des Schlüsselbeins zum Schulterdach (Acromion) mit Verletzung (Zerrung oder Riss) des stabilisierenden Kapsel- und Bandapparates.
Das Schultereckgelenk, auch Akromioclaviculargelenk (ACG) genannt, stellt eine gelenkige Verbindung zwischen dem Schulterdachfortsatz (Acromion) und dem äußeren Ende des Schlüsselbeins (Clavicula) dar. Das Gelenk wird normalerweise durch die Gelenkkapsel und die zusätzlichen Bänder, die außerhalb des Gelenkes liegen, stabilisiert.
Eine Schultergelenkssprengung kann in unterschiedliche Schweregrade eingeteilt werden. Die Einteilung erfolgt nach Tossy oder Rockwood:
Bei der Einteilung nach Rockwood werden mit den Verletzungsgraden IV - VI Spezialformen der vollständigen Bandzerreißung unterschieden.
Die Schultergelenkssprengung ist eine sehr häufig auftretende Verletzung, die fast immer nach einem direkten Sturz auf die Schulter auftritt.
Häufigste Ursache für eine Schultergelenkssprengung sind direkte Stürze auf die Schulter mit direkter Krafteinleitung auf das Schultereckgelenk. Selten handelt es sich um eine indirekte Verletzung durch Sturz auf den ausgestreckten Arm. Hier kommt es eher zum Schlüsselbeinbruch. Häufige Unfallursache sind Sportarten wie Motorsport, Radfahren, Skifahren, Reiten oder Kampfsport.
Typische Symptome einer Schultergelenkssprengung sind:
Anhand der genauen Befragung (Anamnese) und der körperlichen Untersuchung des Patienten kann bereits die Diagnose gestellt werden. Wichtige Hinweise auf eine Schultergelenkssprengung sind eine umschriebene Schwellung und der örtlich genau eingrenzbare Druckschmerz über dem Schultergelenk. Typisch für eine Schultergelenkssprengung ist außerdem, dass bei Stabilisierung des Schulterblattes, Bewegungen zwischen dem Oberarm und dem Schulterblatt meist keine Schmerzen verursachen.
Bei der klinischen Untersuchung lässt sich zudem dass Klaviertastenphänomen auslösen und manchmal kann man sogar hören, dass die Knochen aufeinander reiben (Krepitation). Die Diagnose wird in der Regel mit einer Röntgenaufnahme in zwei Ebenen (von vorne und seitlich) gesichert. Die Röntgenaufnahme kann aber auch unter Belastung und im Seitvergleich durchgeführt werden, um das Klaviertastenphänomen zu verstärken. Dem Patienten werden hierfür jeweils ein Gewicht von 10 kg um die Handgelenke geschlungen, wodurch das Schulterdach (Acromion) zusätzlich fußwärts gezogen wird und ein bis dahin unerkanntes Klaviertastenphänomen zur Darstellung kommt.
Sind zur Beurteilung der Schultergelenkssprengung noch weitere Ergebnisse notwendig, so können diese durch Ultraschall (Sonographie), MRT (Magnetresonanztomographie) oder CT (Computertomographie) durchgeführt werden. Bei der Ultraschalluntersuchung können Einblutungen im Gelenkbereich erkannt (bei Bandverletzungen) und ein vergrößerter Gelenkspalt in der Frontalebene nachgewiesen werden. Ein weiterer Vorteil der Ultraschalluntersuchung ist, dass gleichzeitig auch die Rotatorenmanschette mit untersucht werden kann. Häufig sind ältere Patienten auch von einer Verletzung der Rotatorenmanschette betroffen.
Bei einer Schultergelenkssprengung ist die Wahl der Therapie abhängig vom Schweregrad der Verletzung, den Beschwerden und dem Aktivitätsgrad des Patienten. Wie bei vielen Verletzungen besteht auch hier die Möglichkeit einer konservativen oder operativen Therapie. Der Arm wird in erster Linie in einer Schonhaltung vor dem Bauch stabilisiert (Sofortmaßnahme). Die Betroffenen haben dadurch meist keine starken Schmerzen mehr. Zudem sollte man so schnell wie möglich mit einem Eisbeutel kühlen, um die Schmerzen und Schwellung zu verringern.
Die Schultergelenkssprengung wird bei Zerrungen oder Teilverletzungen des Schultergelenks (Schweregrade I und II) in der Regel konservativ, also ohne Operation, behandelt. Die konservative Therapie besteht hauptsächlich darin, das Schultergelenk wenige Tage ruhig zu stellen. Sind keine Schmerzen mehr vorhanden, so schließt sich die Krankengymnastik an.
Empfohlen wird zudem die bedarfsabhängige, kurzfristige, schmerz- und entzündungshemmende Einnahme von NSAR (nichtsteroidale Antirheumatika), wie z.B. Diclofenac oder Ibuprofen. Die Therapie sollte zusätzlich durch eine Eisbehandlung des Schultergelenks unterstützt werden. Bei starken Schmerzen kann die Ruhigstellung auch in einem Schulterarmverband, z.B. Gilchrist-Verband, erfolgen.
Verletzungen von Grad III und IV, also bei vollständiger Zerreißung aller Bänder, werden in der Regel operativ versorgt (bei Grad III kann unter Umständen auch noch eine konservative Behandlung durchgeführt werden). Eine Operation ist besonders bei jungen und körperlich aktiven Sportlern zu empfehlen. Es gibt verschiedene operative Verfahren die angewandt werden können und sich in der Art der Schultereckgelenkstabilisierung unterscheiden. Optional ist die Rekonstruktion des Kapsel- /Bandapparates, wobei man meist die gerissenen Strukturen einer Selbstheilung überlässt. Zu den operativen Therapiemöglichkeiten gehören:
Nach der Operation kann es zu folgenden Komplikationen kommen:
Das eingerichtete Schultereckgelenk kann während der Nachbehandlung oft nicht vollständig gehalten werden. Je nachdem welches Operationsverfahren durchgeführt wurde, kann das seitliche Schlüsselbeinende wieder etwas nach oben rutschen.
Da der Weichteilmantel über dem Schlüsselbein sehr dünn ist, besteht die Gefahr einer postoperativen Infektion.
Da auf das Schlüsselbein starke dynamische und statische Kräfte einwirken, kann es zu Metalllockerungen oder sogar Metallbrüchen kommen.
Bei der Operation erfolgt der Hautschnitt parallel zum Schlüsselbein. Leider kann es durch den Brustmuskelzug in diesem Bereich zu einer überschießenden, kosmetisch störenden Narbenbildung (Keloid) kommen. Daher sollte man vor allem bei jungen Menschen den Säbelhiebschnitt durchführen. Dieser ist durch seinen vertikalen Verlauf nicht derartigen Zugkräften ausgesetzt. Nachteil ist jedoch eine schlechtere Übersicht während des Eingriffs.
Generell sind bei jedem operativen Eingriff Nachblutungen sowie Gefühls- und Bewegungsstörungen des Armes möglich.
Die Schultergelenkssprengung hat meist einen günstigen Verlauf mit guter Prognose. Grad I und Grad II Verletzungen heilen in der Regel folgenlos aus. Nach der Ausheilung der Erkrankung treten in mehr als 90 Prozent der Fälle keine Beschwerden im Alltag oder beim Sport auf. Nach Verletzungen von Grad II und Grad III können jedoch noch teilweise Schulterschmerzen oder eine chronische Gelenkinstabilität zurückbleiben. Später kann sich sogar eine schmerzhafte Schultereckgelenksarthrose ausbilden. Der Arm ist in diesen Fällen in seiner Funktion eingeschränkt.
Beachte: Eine Schultergelenkssprengung ist auch nach operativer Versorgung ein Risikofaktor für eine Schultergelenksarthrose.
Hilfreiche Tipps und Maßnahmen nach einer Operation:
In den meisten Fällen ist die Schulter zwölf Wochen nach der Schultergelenkssprengung wieder vollständig belastbar.
Letzte Aktualisierung am 10.05.2021.