Morbus Scheuermann (Adoleszenzkyphose, juvenile Osteochondrose der Wirbelsäule) ist eine Erkrankung an der Wirbelsäule, die im Jugendalter auftritt und häufiger bei Jungen als bei Mädchen vorkommt. Morbus Scheuermann ist gekennzeichnet durch ein gestörtes Wachstum von Wirbelkörpern. Es kommt zur Bildung von keilförmigen Wirbeln, die zu einem so genannten Rundrücken mit vermehrter Krümmung in der Brustwirbelsäule führen. Manchmal ist auch die Lendenwirbelsäule betroffen. Bei starker Ausprägung des Morbus Scheuermann können Schmerzen entstehen, der Verlauf ist aber normalerweise günstig. Als Behandlung eignen sich Krankengymnastik und gegebenenfalls das Tragen eines Stützkorsetts, äußerst selten kann eine Operation angezeigt sein.
Eine genaue Ursache des Morbus Scheuermann konnte bisher noch nicht festgestellt werden. Die Krankheitsentstehung wird durch unterschiedliche Faktoren gefördert. Dazu gehören eine allgemeine Bindegewebsschwäche beziehungsweise Wirbelkörperschwächung sowie auch erbliche Einflüsse, da die Erkrankung in manchen Familien vermehrt auftritt. Hormonelle Veränderungen und Vitaminmangelzustände können den Morbus Scheuermann begünstigen.
Das Verhalten der betroffenen Jugendlichen spielt eine große Rolle. Bei häufigen Fehlhaltungen der Wirbelsäule, etwa durch zu langes Sitzen am Schreibtisch, entsteht ein Druck auf den vorderen Anteil der Wirbelkörper. Eine zu geringe körperliche Betätigung fördert die Erkrankung zusätzlich. Andererseits kann aber auch zu stark leistungsorientierter Sport (ein charakteristisches Beispiel ist Turnen) zu Schäden im Sinne eines Morbus Scheuermann führen.
Solche Einflüsse führen beim Morbus Scheuermann zu einer Bildung von Keilwirbeln, bei denen die Vorderseite platter als die Hinterseite ist. In die instabilen Wirbel dringt über kleine Einstülpungen auch Bandscheibengewebe ein. Der Mediziner nennt die Vorwölbungen Schmorlsche Knötchen. Dies macht den Wirbel noch anfälliger für Formveränderungen. Normalerweise sind die Wirbelkörper stabil und annähernd würfelförmig. Die keilförmig veränderten Wirbel beim Morbus Scheuermann bewirken, dass ein Rundrücken auffällig wird.
Die Scheuermann-Krankheit beginnt üblicherweise im Jugendalter, meist zwischen dem 11. und 13. Lebensjahr. Am Anfang der Erkrankung zeigen sich meist gar keine oder nur minimale Beschwerden. Häufigstes Symptom bei einem Morbus Scheuermann ist der Rundrücken, also die Verstärkung der nach hinten gerichteten Krümmung (Kyphose) in der Brustwirbelsäule. Bei einem solchen „Buckel" hängen die Schultern nach vorne. Außenstehende sehen dies meist als „schlechte Haltung" an. Die Lendenwirbelsäule ist zum Ausgleich stärker nach vorne gekrümmt als bei Gesunden (Lordose), insgesamt zeigt sich ein Hohlrundrücken. Besteht jedoch der eher seltene Fall, dass der Morbus Scheuermann auch in der Lendenwirbelsäule vorhanden ist, so nimmt die Krümmung nach vorne allerdings ab.
Die Beweglichkeit in der Wirbelsäule, insbesondere bei der Drehung des Rückens, ist eingeschränkt. Rund 20 Prozent der betroffenen Jugendlichen klagen über Schmerzen. Im Erwachsenenalter haben mehr Scheuermann-Patienten Schmerzen. Folgeschäden durch den Morbus Scheuermann können Verschleißerscheinungen wie eine Wirbelsäulenarthrose (Facettensyndrom) sein. Verspannungen treten häufig auf. Auch Bandscheibenvorfälle können durch einen Morbus Scheuermann provoziert werden. Nach dem Erreichen des Erwachsenenalters schreitet die Scheuermann-Erkrankung nicht mehr fort.
Der Arzt führt zunächst ein Patientengespräch (Anamnese). Daraufhin untersucht er den Patienten körperlich und findet meist Zeichen vor, die für einen Morbus Scheuermann sprechen. So wird die Beweglichkeit der Brustwirbelsäule nach vorne getestet, die bei der Scheuermann-Erkrankung eingeschränkt ist. In einer Röntgenuntersuchung von der Seite zeigt sich, dass Keilwirbel und eventuell Schmorlsche Knötchen (Bandscheibeneinbrüche in den Wirbelkörper) vorhanden sind. Zudem kann der Rundrücken anhand der Winkel vermessen werden. Weitergehende Untersuchungen (Kernspintomographie, CT, Blutentnahme) sind nur in Einzelfällen noch erforderlich.
Häufig wird ein Morbus Scheuermann fälschlicherweise lediglich als Haltungsschwäche des jugendlichen Patienten diagnostiziert. Ebenso kann ein Rundrücken (beziehungsweise Hohlrundrücken) oder ein Flachrücken eine angeborene Erscheinung sein. Außerdem kann es sich um entzündliche oder verletzungsbedingte Formveränderungen handeln.
Die Therapie erfolgt anhand des Schweregrades der Scheuermann-Erkrankung. In den allermeisten Fällen genügen nicht operative (konservative) Maßnahmen, die Chirurgie ist Spezialfällen vorbehalten.
In erster Linie erfolgt eine Krankengymnastik, auch sollte der Patient geeigneten körperlichen Aktivitäten nachgehen. Er sollte in bestimmten Bereichen auch seinen Rücken schonen. So sollte auf einen gut angepassten Arbeitsplatz (Schreibtisch und Stuhl) geachtet werden. Bei einer starken Krümmung (über 45 Grad) kann das Tragen eines stabilisierenden und begradigenden Korsetts sinnvoll sein. Es wird im ersten Behandlungsjahr 23 Stunden täglich getragen, danach nur noch nachts. Weitere Möglichkeiten bei Schmerzen durch den Morbus Scheuermann bestehen in der Gabe von Schmerzmedikamenten oder auch in einer Elektrotherapie.
Operationen werden normalerweise erst durchgeführt, wenn bei Erwachsenen eine sehr ausgeprägte Verkrümmung über 60 Grad vorhanden ist und ein Leidensdruck aufgrund von Schmerzen, ästhetischen Nachteilen, Nervenausfällen oder Atemproblemen vorhanden ist. Die Wirbelsäule wird aufgerichtet, geschädigtes Gewebe wird entfernt. Die Stabilisierung erfolgt mit so genanntem Knochenzement oder mit Metallstäben.
In vielen Fällen ist ein Morbus Scheuermann nicht schwerwiegend und verursacht subjektiv keine deutlichen Beschwerden. Selbst eine auffällige Verkrümmung kann schmerzlos und ohne Bewegungseinschränkungen bleiben. In einigen Fällen wird der Morbus Scheuermann jedoch symptomatisch. Meist können einfache Maßnahmen wie Krankengymnastik eine stärker ausgeprägte Erkrankung verhindern. Eine so hochgradige Verkrümmung, dass eine Operation vorgenommen werden muss, ist sehr selten.
Das Fortschreiten des Morbus Scheuermann ist auf das Wachstumsalter des jungen Patienten begrenzt. Beim Erwachsenen kommen die Veränderungen durch den Morbus Scheuermann an sich zum Stillstand. Einmal eingetretene Schäden gehen aber in der Regel nicht wieder zurück. Dies können unter anderem der „Buckel", Bandscheibenschäden, eine Arthrose in der Wirbelsäule (Facettensyndrom) oder Verschleißerscheinungen an anderen Stellen sein. Diese Folgeerscheinungen können im Verlauf sogar noch zunehmen.
Letzte Aktualisierung am 18.05.2021.