Als Spitzfuß (Pes equinus) wird eine angeborene Fehlstellung des Fußes bezeichnet, bei der die Ferse hochgestellt ist. Aus diesem Grund können die Hacken beim Gehen nicht auf den Boden aufgesetzt werden. Diese Form der Fußfehlstellung wird deshalb auch Pferdefuß (Pes equinus)genannt. Die fehlerhafte Fußstellung führt bei der Mehrzahl der Betroffenen zu Fehlhaltungen, die meist erhebliche Beeinträchtigungen für den Körper und das Skelettsystem nach sich ziehen.
Der Spitzfuß ist im Tierreich weit verbreitet und die normale Fußform vieler Arten. Die meisten Vierfüßer, beispielsweise Pferde und Esel, setzen den Fuß nur mit dem Zehen-Mittelfuß-Bereich auf. Für den Menschen ist die Spitzfußstellung hingegen ineffektiv und daher als krankhaft anzusehen. Sie verhindert sowohl einen stabilen Stand auf zwei Beinen, als auch ein Abrollen des Fußes beim Gehen, was zu Gangunsicherheiten führt.
Die Ursachen für die Entstehung eines Spitzfußes sind vielfältig und können sowohl angeboren als auch im Verlauf des Lebens erworben sein.
Auslöser eines angeborenen Spitzfußes sind meist Fehlbildungen wie:
Häufig wird der angeborene Spitzfuß als Begleiterscheinung beim Klumpfuß diagnostiziert. Beim erworbenen Spitzfuß liegt hingegen in vielen Fällen eine Verkürzung des Wadenmuskels (Musculus gastrocnemius) vor. Diese Verkürzung kann verschiedene Ursachen haben.
Die häufigsten sind:
Neben einer Beeinträchtigung des M. gastrocnemius kann zudem auch eine Lähmung der Muskulatur an der Vorderseite des Unterschenkels in selteneren Fällen zu einer Spitzfußstellung führen. Diese so genannten Extensoren heben den Fuß und führen, wenn sie gelähmt sind, zum Spitzfuß. Eine Lähmung der Extensoren entsteht, wenn der die Muskeln versorgende Nerv (Nervus peronaeus) geschädigt ist. Eine häufige Ursache dafür sind Unfälle, wie beispielsweise der seitliche Zusammenprall eines Fußgängers mit einem Auto. Verschiedene Infektionskrankheiten wie die spinale Kinderlähmung (Poliomyelitis) oder Diphtherie können ebenfalls den Nervus peronaeus schädigen und zu einer Muskellähmung führen.
Beim Spitzfuß (Pes equinus) leiden die betroffenen Patienten unter einer Fehlstellung des Fußes, die durch einen so genannten Fersenhochstand gekennzeichnet ist. Die somit dauerhaft bestehende Beugung des Fußes in Richtung Fußsohle wird auch als Plantarflexion bezeichnet. Der Fuß berührt den Boden ausschließlich mit dem Fußballen und kann von den Betroffenen auch durch passive Bewegung nicht in eine gerade Form gebracht werden. Je ausgeprägter der Spitzfuß ist, desto weiter vorne wird der Fuß beim Gehen aufgesetzt. In extremen Fällen ist es auch möglich, dass Betroffene mit dem Fußrücken (Teufelsfuß) auftreten.
Durch die Fehlhaltung beim Spitzfuß kann der Fuß beim Gehen nicht abgerollt werden. Das Aufsetzen der Hacken ist somit unmöglich. Häufig bilden sich durch die entstehende unphysiologische Gangart beim Spitzfuß sichtbare Schwielen an den Fußballen. Da der Fuß in Richtung der Fußsohle gebeugt ist, wird das Bein funktionell länger. Um ein Schleifen der Zehen auf dem Boden zu vermeiden, müssen daher die Knie beim Laufen vermehrt angehoben werden. Auf diese Weise entsteht der charakteristische Steppergang (Hahnentritt) von Patienten mit einem Spitzfuß.
Beim typischen Spitzfuß kann der Fuß bei gestrecktem Kniegelenk nur wenig in Richtung Fußrücken gebeugt werden. Die Normalposition wird nicht erreicht. Bei lange unbehandeltem Spitzfuß kann als zusätzliches Symptom eine ausgleichende Verkrümmung der Wirbelsäule entstehen
Bei der Diagnose eines Spitzfußes fällt in der Untersuchung zunächst der für den Spitzfuß typische Steppergang auf. Dieser wird durch das fehlende Abrollen des Fußes beim Gehen ausgelöst. Die Diagnose des Spitzfußes kann meist schon aufgrund des klinischen Bilds gestellt werden. Allerdings müssen die Auslöser dieser Fehlstellung in der Regel durch weitere Untersuchungen abgeklärt werden.
Häufig gibt die Krankheitsgeschichte (Anamnese) Hinweise auf zugrunde liegende Erkrankungen oder Ereignisse. Mithilfe spezieller neurologischer Untersuchungstechniken können geschädigte Muskelgruppen lokalisiert werden. Zu diesen Untersuchungsmethoden zählen die Elektromyographie, bei der die von einem Muskel abgeleitete elektrische Spannung gemessen wird, oder auch Probeentnahmen von Muskelgewebe selbst (Muskelbiopsien), wodurch beschädigtes oder erkranktes Muskelgewebe erkannt werden kann. Durch eine Röntgenaufnahme des Fußes wird außerdem abgeklärt, in welchem Ausmaß das knöcherne Fußskelett von der Fehlstellung betroffen ist. Darüber hinaus wird mithilfe von Röntgenbildern des Knies, der Hüfte und der Wirbelsäule die Auswirkung der Spitzfußstellung auf das übrige Skelett untersucht.
Für die Therapie eines Spitzfußes stehen eine Vielzahl verschiedene Methoden zur Verfügung. Die Behandlung kann sowohl konservativ als auch operativ erfolgen. Ein Spitzfuß muss jedoch in jedem Fall ausreichend lange und sorgfältig therapiert werden, um Folgeerkrankungen und -fehlstellungen des Skeletts zu vermeiden. Nur wenn die Ursache eine einseitige Beinverkürzung, beispielsweise infolge einer Poliomyelitis, ist, darf die Fehlstellung nicht korrigiert werden.
Beim so genannten kontrakten (lateinisch verkrümmt, gelähmt) Spitzfuß bei Erwachsenen versucht man zunächst krankengymnastisch durch aktive und passive Mobilisation die verkürzte Unterschenkelmuskulatur zu dehnen und den Fuß auf diese Weise in seine ursprüngliche Position zurückzubringen (so genannte manuelle Redression). Reichen die krankengymnastischen Maßnahmen nicht aus, um die Spitzfußstellung zu korrigieren, müssen in einigen Fällen so genannte Unterschenkel-Stehgipse angelegt werden. Diese speziellen Gipsverbände stabilisieren den Fuß über einen längeren Zeitraum in der Normalposition. Bei Kindern, die die Spitzfußstellung aufgrund einer spastischen Erkrankung (wie beispielsweise bei zerebraler Kinderlähmung) entwickelt haben, wird meist eine physiotherapeutische Behandlung durchgeführt, um Bewegungsabläufe gezielt zu schulen.
Wenn der Spitzfuß durch diese konservativen Maßnahmen nicht behandelbar ist, kann ein operativer Eingriff nötig sein. Die Spitzfußstellung wird dabei korrigiert, indem der Operateur die Achillessehne verlängert. Besonders bei Kindern ist diese Form der Behandlung sehr erfolgreich. Im Anschluss an die Operation wird in der Regel ein korrigierender Gipsverband angelegt.
Bei Erwachsenen kann als weitere Möglichkeit eine so genannte Arthrodese durchgeführt werden. Dabei wird das obere Sprunggelenk im Rahmen einer Operation versteift, während die Beweglichkeit des unteren erhalten bleibt. Eine Arthrodese ist notwendig, wenn bereits schwere Abnutzungserscheinungen am betroffenen Gelenkknorpel des Sprunggelenks (Arthrose) aufgetreten sind. Als Alternative zur Arthrodese kann auch eine Arthrorise des Sprunggelenks durchgeführt werden. Dabei wird ein Knochenspan eingesetzt, um die Gelenkbeweglichkeit zu hemmen und den Fuß in Normalstellung zu halten. Sämtliche operativ versorgten Spitzfüße sollten im Anschluss durch eine konservative Therapie in Form von Dehnübungen weiterversorgt werden.
Lassen sich sowohl durch die konservative als auch die operative Behandlung keine oder nur unbefriedigende Ergebnisse erzielen, muss der Spitzfuß durch die Anpassung von orthopädischen Schuhen mit einem keilartigen Unterbau der Ferse und einem Ausgleich auf der gegenüberliegenden Seite ausgeglichen werden. Einem erworbenen Spitzfuß (Pes equinus) kann auch aktiv vorgebeugt werden. Wenn beispielsweise absehbar ist, dass das Sprunggelenk länger ruhig gestellt werden muss, sollten von vornherein Maßnahmen getroffen werden, um eine Spitzfußstellung zu vermeiden.
Bei längerer Bettlägerigkeit beispielsweise, kann ein so genanntes Fußbrett am Bett angebracht werden, auf dem man den Fuß abstützen kann. Zudem sollten die Muskeln und Sehnen an der Unterschenkelrückseite durch Krankengymnastische Übungen regelmäßig gedehnt werden. Sind diese Übungen nicht aktiv möglich, müssen sie passiv erfolgen.
Wird der Fuß mithilfe eines Gipsverbands ruhig gestellt, beispielsweise bei einem Bruch, muss beim Anlegen der Gipsschiene unbedingt die normale Fußstellung (Neutral-Null-Stellung) eingehalten werden. Eine Ausnahme bildet hier lediglich die therapeutische Versorgung einer gerissenen Achillessehne (Achillessehnenruptur), bei welcher der Unterschenkel durch einen Gipsverband in Spitzfußstellung ruhig gestellt werden muss. In diesem Fall erfolgen die krankengymnastischen Übungen, um die verkürzte Unterschenkelmuskulatur zu dehnen, unmittelbar nach der Entfernung des Gipses.
Wird ein Spitzfuß (Pes equinus) nicht ausreichend therapiert, kann dies negative Auswirkungen auf das gesamte Skelettsystem haben. Ein einseitiger Spitzfuß führt zu einer so genannten funktionellen Beinverlängerung, da das Kniegelenk der Gegenseite dauerhaft überstreckt wird (Genu revurvatum). Diese zieht bei den Betroffenen wiederum schwerwiegende Stand- und Gangunsicherheiten nach sich. Darüber hinaus kann es bei einem einseitig ausgeprägten Spitzfuß besonders bei Kindern durch den Beinlängenunterschied zu einem chronischen Schiefstand des Beckens und damit verbundenen seitlichen Verkrümmungen der Wirbelsäule vor allem im Lendenwirbelbereich (Lumbalskoliose) kommen.
Das Ergebnis der Korrektur einer Spitzfußstellung wird wesentlich von der zugrunde liegenden Erkrankung mitbestimmt. Mithilfe einer intensiven Krankengymnastik können jedoch zu jedem Zeitpunkt der Erkrankung große Fortschritte erzielt werden. In den meisten Fällen ist die Therapie des Spitzfußes allerdings ein sehr langwieriger Prozess, durch den die Fehlstellung leider selten vollständig zurückgebildet wird. Auch bei Kindern mit Kinderlähmung ist in der Regel keine völlige Heilung erreichbar.
Letzte Aktualisierung am 11.05.2021.